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04.05.2020

Lebendige Steine

Mauer im Klostergarten

Gedanken zur 2. Lesung
für den 5. Ostersonntag Jahr A:
1 Petrus 2,4-9

Vor kurzem waren alle Kirchen wochenlang fast leer. Auch jetzt, obwohl Gottesdienste wieder gestattet werden, dürfen diese nur unter befremdlichen, teils unheimlich anmutenden hygienischen Maßnahmen stattfinden.
In einer leeren Kirche fallen die Teile des Gebäudes – die Wände, die Decke – ungewohnt stark auf. Unsere Kirchen sind wunderschöne Gebäude. Aber ohne Menschen, die darin zu Gott beten und Gott anbeten, fehlen die lebendigen Steine, die ein geistiges Haus ausmachen.
Die zweite Lesung des fünften Ostersonntags ist aus dem ersten Petrusbrief. Da heißt es:

4 Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist!
5 Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen!

Wie sieht ein geistiges Haus aus? Eine Kirche – vielmehr die Kirche -- besteht aus Menschen, nicht aus Steinen, Holz, Beton oder sonst etwas.
Was lebendig ist, bewegt sich. Wie würde das aussehen, ein Haus aus lebendigen Steinen?  Oder eine Mauer? Nicht so schön ordentlich wie die aus normalen Steinen.
Was lebendig ist, wächst und ändert sich. Nicht so regelmäßig, nicht so glatt – eher wie dieser Teil unserer Gartenmauer, mehr ein Durcheinander.
Und eine Mauer aus echt lebendigen Steinen wäre noch unordentlicher und eher schräg.
Können wir uns wohl fühlen in einem Haus, das sich bewegt, wo die schrägen Wände wanken und schwanken? Diese lebendigen Steine, von denen der Petrusbrief spricht, sollen zu einem geistigen Haus zusammengebaut werden. Und wir selber sind die Steine, die leben und wachsen.
Am Ende der sonntäglichen Lesung aus dem ersten Petrusbrief heißt es:

9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das Gottes besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.

Wenn wir, diese lebendigen Steine, eben auserwählt sind, königlich, heilig, ja sogar das besondere Eigentum Gottes sind, können wir uns darauf verlassen, dass das Haus stehen wird. Die Auserwählung Gottes ist die innere Struktur, die das Ganze aufrecht hält, mag das Haus auch noch so sehr schwanken und wanken.

+M. Hildegard Dubnick OSB